Nach dem Abitur macht sich Reise-Magazin-Autor Philipp Höhnel auf nach Indien und berichtet in seinem neuen Blog über seine Erlebnisse vor Ort.
Endlich ist es so weit: Das Abitur ist erfolgreich überstanden, der Stress ist vorbei, und es heißt erst einmal viel Zeit zur freien Verfügung. Doch was tun? Einige entspannen und machen nach all dem Lernen und der Schinderei einfach mal nichts, andere wiederum genießen Urlaub an den schönsten Orten der Welt, sind mit Work & Travel unterwegs oder arbeiten, um ihr Studium finanzieren zu können.
Für keine dieser Möglichkeiten konnte ich mich jedoch sonderlich begeistern, und es dauerte eine Weile bis mir klar wurde, was ich wirklich wollte: Freiwilligenarbeit. Schon seit einiger Zeit bin ich ehrenamtlich bei verschiedenen NGOs (Nichtregierungsorganisationen) wie Greenpeace oder Amnesty International aktiv, da ich der Überzeugung bin, dass jeder Mensch seinen Teil tun kann, um diese Welt ein bisschen sauberer, gerechter und besser zu machen.
Durch dieses Engagement stieß ich irgendwann auch auf die Tibet Initiative Deutschland (T.I.D.), die sich für ein autonomes Tibet einsetzt und mit verschiedenen Aktionen die chinesische Regierung auffordert dem „Dach der Welt“ die Unabhängigkeit zuzugestehen. Am meisten schockierten mich all die Berichte von Menschenrechtsverletzungen an der tibetischen Bevölkerung, weshalb ich zu dem Schluss kam: Für diese Menschen möchte ich mich einsetzen.
Da Tibet derzeit ein ziemlich heißes Pflaster ist und Ausländer nicht unbedingt erwünscht sind, fiel mein Entschluss es in der Hauptstadt der Exiltibeter, Dharamsala im Norden Indiens, zu probieren. Dort leben die meisten der tibetischen Flüchtlinge seit der Besetzung Tibets 1959 und es wird dort immer Hilfe gebraucht. Schnell war eine Tätigkeit gefunden: Eine Organisation suchte freiwillige Helfer für den Englischunterricht und Journalismus. Eine kurzes Bewerbungsprozedere über das Internet und dann war klar: es geht nach Dharamsala.
Nach langen Planungen, von der Visums-Beantragung, über das Beschaffen der richtigen Ausrüstung, bis hin zur mentalen Vorbereitungen mit Hilfe von Stapeln an Büchern und Reiseführern war es nun endlich so weit. Am Samstag, den 14. Mai 2011 begab ich mich auf mein großes Abenteuer.
Vom Münchner Flughafen ging es erst einmal nach London – ein Direktflug nach Delhi wäre zu teuer gewesen. Dort angekommen ging es eng zusammengepfercht durch eine weitere Sicherheitskontrolle – was sich als zeitraubender erwies als man annehmen möchte. Ich hatte nämlich vergessen meinen Geldgürtel abzunehmen, was dazu führte dass das Sicherheitspersonal davon ausging, dass ich etwas zu verbergen hatte und mich erst einmal in einen Ganzkörper-Scanner steckte. Schließlich doch von meiner Harmlosigkeit überzeugt, lies man mich dann endlich gehen. Der Weiterflug ließ dann auch nicht lange auf sich warten – bis im großen Londoner Flughafen der richtige Gateway gefunden war, hieß es auch schon „Boarding-Time“. Trotz der langen Dauer war der Flug nach Delhi dann relativ entspannt, da die Crew sehr sympathisch war und ich die meiste Zeit ohnehin geschlafen habe.

Mönche an einem Verkaufsstand

Mönche an einem Verkaufsstand © Philipp Höhnel

15.Mai 2011 – die Ankunft

Nach über acht Stunden endlich angekommen, merkte man sofort, dass dies nicht Europa sein konnte: Der Flughafenboden war mit Teppich ausgelegt. Auch die reichen Verzierungen und Gemälde kreierten ein schönes Ambiente, das nur noch durch die bunten Menschenmassen übertroffen wurde.
Schnell wurde ich aus meiner Schwärmerei gerissen, als ich realisierte, dass ich den Flughafen verlassen und noch einmal von vorne einchecken musste. Als auch das überstanden war, kam ich während der Wartezeit mit einer jungen Inderin ins Gespräch, die gerade aus dem Urlaub nach Hause flog. Wir unterhielten uns eine Weile, und als sie erfuhr dass ich Hindi lernen möchte, erhielt ich gleich meine erste Lektion. Ansatzweise beherrsche ich nun einfache Gesprächseröffnung, Zahlen bis 10 und die Grundlagen der Aussprache – es fängt also gut an.

Das Abenteuer beginnt

Bald darauf ging es mit dem Bus durch die brütende Hitze – 45°C zeigten die Thermometer – zum kleinen indischen Flieger.
Nachdem wir die gigantische Smog-Wolke um Delhi verlassen hatten, wurde es mit jeder Minute bergiger, und nach ungefähr einer Stunde konnte man es ganz klar erkennen: Das Himalaja-Gebirge. Ein weißer Gebirgszug, majestätisch sich erhebend wie eine undurchdringbare Wand und dem Ende der Welt gleich. Auch unter uns veränderte sich die Landschaft. Es gab nur spärliche Vegetation, ausgetrocknete Flussbetten durchzogen wie Adern das Terrain. Man konnte nur erahnen wie es zur Zeit des Monsun aussehen würde, wenn all die Flüsse randvoll sind und es überall blüht und gedeiht.
In Dharamsala angekommen wurde man vor dem Flughafen sofort von zahlreichen Menschen umringt, viele Kinder, einige Touristenführer und am etliche Taxi-Fahrer. So dauerte es nicht lange, bis mein nächstes Abenteuer begann – die Taxifahrt nach McLeod Ganj, der obere Stadtteil Dharamsalas, in dem ich arbeiten werde. Verkehrsregeln scheinen hier nicht zu existieren, es herrscht perfekt koordiniertes Chaos. Es wird ständig gehupt und überholt, Fahrstreifenbegrenzungen dienen höchstens der Orientierung. Es kommt nicht selten vor, dass haarscharf ausgewichen wird, wenn wieder einmal eine Kuh, ein Affe oder ein Pferd den Weg blockieren.

Straßenbild in Indien

Straßenbild in Indien © Philipp Höhnel

Ein Motorrad für Drei

Von all den Ereignissen und Eindrücken überwältigt, suchte ich mir als erstes ein Hotel – und wurde so richtig über den Tisch gezogen. 1200 Rupien pro Nacht, umgerechnet ca. 20 Euro, sind in Indien weitaus mehr als in Europa. Aber in dem Moment relativ egal, ich wollte nur meine Sachen abladen und mich umsehen.
Bei meinem ersten Spaziergang kam ich in den Genuss einer Mitfahrgelegenheit – vier indische Jungs auf zwei klapprigen Motorrädern, komplett ohne Helm und Schutzausrüstung, dafür aber mit unglaublich guter Laune, boten mir einen Platz an.Keine Frage, dass ich sofort dabei war. So saßen wir zu dritt auf der Maschine. Es ging ab über Stock und Stein auf Straßen, die in Europa längst wegen mangelnder Befahrbarkeit gesperrt worden wären. Nachdem sie mich abgesetzt hatten, gab es noch einen herzlichen Abschied und ich machte mich auf den Weg zum Hotel.
Den Abend verbrachte ich schließlich mit anderen Reisenden, die mich auf der Straße angesprochen hatten und mir eine weitaus bessere Unterkunft zeigten: Ein einfaches Guest-House im Hippie-Vorort Baghsu, in dem ein Zimmer lediglich 80 Rupien pro Nacht, also lediglich etwas mehr als einen Euro, kostet. Zusammen ließen wir den Abend bei einem Chai-Tee ausklingen, und ich hatte in nur wenigen Stunden nach meiner Ankunft bereits beste Bekanntschaften aus aller Welt gemacht – was für ein Tag!