Mit der Zeit wird all der Unterricht zum Alltag, der Glanz des Neuen und Aufregenden ist verflogen und es wird Zeit, dem Ganzen wieder etwas Schwung zu verleihen. Doch was tun, wenn man zeitlich so eingeschränkt ist?

Mit einigen neuen Mitbewohnern überlegen wir, was in unseren Zeitplan passen würde und kommen bald auf den ultimativen Plan: Ein Wochenend-Trek in die Berge und zur Schneegrenze.

Nach einigen Gesprächen mit Reisenden, die schon oben waren, steht auch bald die Route fest: erst durch die umliegenden Dörfer in die Berge, um dann auf verschlungenen Pfaden die Hochwälder zu durchqueren. Eine junge Spanierin und ihre englische Freundin werden mich begleiten.

Freitagnachmittag kann das Abenteuer endlich losgehen. Doch schon bald wird meiner Vorfreude abrupt getrübt, als sich herausstellt, dass Miriam, unsere spanische Begleiterin, krank geworden ist. Sie hatte das Essen nicht vertragen, kann sich nun kaum mehr bewegen und denkt verständlicherweise nicht im Traum daran, in die Berge zu marschieren. Nach kurzer Besprechung steht jedoch fest: Wir gehen zu zweit. Auch wenn man nach alter Pfadfinderregel immer zu dritt in der Wildnis sein sollte, können wir nicht widerstehen, es doch zu wagen. Wir melden uns aus Sicherheitsgründen noch bei unserem Guesthouse ab, erklären unser Vorhaben und wann wir wieder zurück sein wollen. Es ist immer besser, wenn man erwartet wird.

Aufbruch im Nebel

Nach circa einer Stunde steilen Anstiegs haben wir das letzte Dorf hinter uns gelassen. Es ist ein harter Kampf, die Sonne brennt auf uns herab und auch das Gelände zeigt keine Gnade. Zeit also, eine erste Rast einzulegen. Wir setzen uns in den Schatten eines Felsens, um uns ein wenig zu stärken, der Sonne zu entkommen und etwas durchzuatmen.

Bald geht es wieder los und wir finden uns in einem tiefen Wald wieder, der schon beinahe etwas Dschungelartiges an sich hat. Man hört zahlreiche Vogelstimmen, doch sonst ist die Fauna eher spärlich. Mittlerweile könnten wir einen fantastischen Ausblick haben, wäre da nicht der für die Gegend so typische Nebel. Ab und zu klart es etwas auf, doch die meiste Zeit über sieht man kaum weiter als hundert Meter. Etwas enttäuscht sind wir schon, besonders nachdem uns eine unbeschreibliche Sicht versprochen wurde.

Je weiter wir kommen, desto erschöpfter werden wir. Ich habe mit der zusätzlichen Last des Zelts und der Koch-Ausrüstung zu kämpfen. Wir rasten nun öfter und die letzte halbe Stunde des Aufstiegs kostet uns einiges an Kraft. Zuerst sind wir noch skeptisch, denn mittlerweile sieht man nur noch drei Meter weit durch den Nebel. Doch wir zwingen uns immer weiter und bald haben wir es geschafft: Es ist später Nachmittag und wir stehen auf dem großen Plateau – das Ziel unseres Aufstiegs.

An der Schneegrenze, dem höchsten Punkt unserer Tour

An der Schneegrenze, dem höchsten Punkt unserer Tour / © Philipp Höhnel

Turbulente Nacht auf dem Plateau

Wie wir bald herausfinden sind wir keineswegs alleine, einige andere Wanderer und Ziegenhirten haben sich ebenfalls hier einquartiert. Vor meiner Abreise nach Indien war eine der ersten Warnungen, die ich erhielt, dort niemals zu zelten, denn es sei viel zu gefährlich. Hier oben in den Bergen werde ich schnell eines Besseren belehrt: Rund um uns finden sich zahlreiche Zelte und auch wir verbringen eine sichere und ungestörte Nacht in unserer mobilen Bleibe.

Von ruhig kann jedoch nicht die Rede sein. Am späten Abend beginnt ein Sturm über uns her zuziehen, zuerst nur mit leichtem Regen, dann immer stärker bis hin zu einem ausgewachsenen Gewitter, das sich gewaschen hat. Lange Zeit liegen wir wach in den Schlafsäcken, es ist nur schwer möglich bei diesem Lärm ein Auge zu zu tun. Später in der Nacht kommen noch Schreie aufgeregter Inder hinzu, und man hört wie sie Schutz suchend in Richtung der Nahe gelegenen Höhlen rennen.

Am nächsten Morgen erhärtet sich mein Verdacht: Zwei Zelte waren ob des schlechten Wetters zusammen gebrochen, eines gar davon geflogen. Überall lagen Ausrüstungsteile herum, durchnässte Schlafsäcke, zerbrochene Zeltstangen.

Majestätische Gebirgszüge

Doch all diese Eindrücke werden komplett in den Schatten gestellt von dem Ausblick, der sich uns nun bietet: Der Sturm hat all den Nebel vertrieben, und man weiß nicht, wohin man sich wenden soll: Auf der einen Seite sieht man weit ins Tal hinab, auf der anderen die majestätischen Gebirgszüge. Es ist unbeschreiblich.

So dauert es noch eine Weile, bevor wir unsere Sachen packen und uns auf den Weg machen – die Schneegrenze ist nicht mehr weit. Unser Gepäck lassen wir im „Basislager“, was uns nun erwartet ist mit zu viel Ballast nicht zu schaffen. Zwei Stunden wandern und klettern wir weiter durch steiniges Terrain, es wird deutlich anspruchsvoller und uns wird bewusst, warum empfohlen wird, für diesen Abschnitt einen Führer zu engagieren. Langsam bekommt man auch die Höhe zu spüren, das Atmen fällt schwerer und man ermüdet schneller.

Trotzdem schaffen wir es und können es kaum glauben, als wir tatsächlich Schnee in den Händen halten. Nach der obligatorischen Schneeballschlacht füllen wir unsere Trinkflaschen mit Gletscherwasser auf und begeben uns wieder nach unten – immerhin haben wir noch den langen Marsch vom Basislager bis nach Hause vor uns. Nach über fünf Stunden Abstieg sind wir endlich wieder in Bhagsu, beglückwünschen uns zur gelungenen Tour, und fallen totmüde ins Bett.

Abenteuer bestanden.



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